Auslandsreport: Pascal Reichert in Finnland

Mit schwerem Herzen und doch voller Stolz auf unser Eigengewächs, verkündeten wir letzten Sommer den Vereinswechsel unseres einstigen Torhüters in den hohen Norden. Da wir Saalebiber ein sehr familiäres Verhältnis zueinander pflegen, verloren wir uns nicht aus den Augen, blieben in Kontakt und so kam es bei der Floorball Weltmeisterschaft in Helsinki zu einem Wiedersehen zwischen Calli und einigen Saalebibern. Gern hätten wir an dieser Stelle berichtet, dass wir uns in der kommenden Saison auf Pascals Fähigkeiten im Tor freuen können und er sein Können wieder in Halle unter Beweis stellt, doch seine sportliche Laufbahn wird in Finnland noch einmal einen neuen, noch fordernden Weg einschlagen.

Wir freuen uns, euch mitteilen zu dürfen, dass Pascal Reichert in der kommenden Saison beim finnischen 2. Ligisten o2 Jyväskylä in der 1. Herren Mannschaft anheuert. Das Niveau in dieser Liga ist deutlich über dem der deutschen 1. Bundesliga einzuordnen, so würde ein finnischer 2. Ligist in der deutschen Bundesliga mitspielen, wäre dieser wohl ohne Zweifel ein ganz heißer Kandidat auf die Meisterschaft.

Zu diesem Weg können wir nur gratulieren und wünschen sportlich sowie persönlich alles Gute.

Was jemanden in einer Saison in Finnland erwartet und wie es überhaupt dazu kam, möchte Calli im nachfolgenden Bericht mit uns teilen:

Am 22.08.2021 um 3 Uhr nachts ging es los. An diesem Tag sollte ich das letzte Mal für eine gefühlte Ewigkeit in einer vertrauten Umgebung verweilen. Mit meiner Familie und Freundin im Gepäck trieb es uns über Dänemark und Schweden mit der Fähre nach Finnland. Auf einer zehntägigen Reise ging es meinem neuen vorübergehenden zu Hause entgegen: Jyväskylä, Mittelfinnland. Von hier aus schreibe ich nun diesen Bericht und blicke auf eine ereignisreiche Zeit zurück, mit vielen „ersten Malen“ – dazu aber später mehr.

Wie bin ich überhaupt hier gelandet? Viele werden sich sicherlich noch an „unseren Finnen“, Olli Myllys, erinnern. Dieser spielte seit der Saison 2016/17 für drei Saisons im Dress der Saalebiber, sowie in der vorzeitig abgebrochenen Coronasaison 2020/21. Schon im ersten Coronasommer 2020 ermöglichte Olli mir, zusammen mit unserer #10 Janosch Fuchs, bei den Floorballgrößen O2 Jyväskylä (1. Division) und der U21 von Happee (1. Liga und regelmäßiger Playoffteilnehmer) für einige Wochen mitzutrainieren. Für mich war diese Erfahrung so wertvoll, dass ich mich dazu entschied die geknüpften Kontakte zu nutzen und bei beiden Teams anzufragen, ob ein Torhüter für die nun abgeschlossene Saison 2021/22 benötigt wird. Glücklicherweise war das Akademieteam von O2 Jyväskylä zu diesem Zeitpunkt auf einer Suche nach einem Torhüter um in der Suomisarja, der dritthöchsten finnischen Liga, zu bestehen. Diese Möglichkeit konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Und so verbrachte ich bereits ein paar Wochen des Sommers 2021 mit dem Team und stieß ein paar Wochen vor Beginn der Saison endgültig zum Team.

Outdoor Vorbereitung mit dem neuen Team.

 

Wie man sich vorstellen kann, verlief der Beginn der Saison etwas holprig. Nicht nur für mich, sondern auch für das Team, welches auch neu in der Liga war – aller Anfang ist schwer. Nach nur einem Punkt aus fünf Spielen und nicht wirklich überzeugenden Performances meinerseits begann ich aber langsam mich in das Team einzufinden. Das Tempo des Spiels und die taktischen Anforderungen, auch an den Torhüter, waren weitaus höher als ich es aus der zweiten Bundesliga in Deutschland gewohnt war. Aber Stück für Stück avancierte ich zu einem ebenbürtigen Rivalen für meinen Torhüterkollegen, mit dem ich mir die Spielzeit gleichmäßig einteilte. Mein Trainer sah von Anfang an mein Potential und gab mir immer wieder Gelegenheiten mich zu beweisen, bis ich schließlich mein bestes Spiel der Saison ablieferte und einen Sieg nach Verlängerung im siebten Spiel mit dem Team feiern konnte. Diese Punkte waren enorm wichtig im Kampf um den Klassenerhalt – dachten wir zumindest zu diesem Zeitpunkt.

Über Weihnachten war ich dann für zwei Wochen in Deutschland und als ich zurückkam, sah erstmal alles ganz anders aus: Spiele durften aufgrund der angespannten Conronalage nicht stattfinden und auch Trainings waren alles andere als regelmäßig. Und als die Spiele dann endlich wieder losgingen hatten wir ein monstermäßiges Pensum zu absolvieren um alle Spiele der Saison noch spielen zu können. Das bedeutete für uns 9 Spiele in 4 ½ Wochen und verlangte uns einiges ab. Und nebenbei fing Anfang Januar auch noch mein Auslandssemester an der Universität Jyväskylä an und natürlich wollte ich auch trotzdem noch Zeit haben Land und Leute kennenzulernen.

Doch mein Torhüterkollege und ich verbesserten uns kontinuierlich und wurden weiterhin recht gleich viel eingesetzt. Jetzt gab es auch immer mehr Lob von allen Seiten für meine Leistungen und mein Selbstbewusstsein war auf dem Höchststand. Auch der Trainer meinte zu mir, wenn ich so weitermachte, würde ich in der nächsten Saison für unsere erste Mannschaft spielen. Natürlich gab es zwischendurch einige Setbacks – wie eine 12:2 Niederlage in Loviisa, oder eine 3:12 Heimniederlage im letzten Saisonspiel im Derby gegen die Zweitvertretung von Happee. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Finnische Floorballverband jedoch schon die Entscheidung getroffen, dass nach dieser Saison kein Team aus der Suomisarja absteigen würde. So beendeten wir die Saison also auf einem Relegationsplatz, der aber keine Bedeutung hatte.

Nach der Saison hatte ich auch endlich die Zeit mal ein bisschen weiter zu reisen als es sich für Tagestrips lohnt. So konnte ich in Ylläsjärvi das erste Mal Schneemobil fahren, mit dem Auto im Schnee stecken bleiben, eindrucksvolle Nordlichter sehen (auch wenn es die in Jyväskylä diesen Winter auch zur Genüge gab) und Bärburger mit Rentierbacon essen. Zu den weiteren „ersten malen“ der vergangenen Monate kann ich noch Langlaufski fahren, ordentlich Snowboarden, Eislochbaden, eine Kreuzfahrt (als Weihnachtsfeier mit dem Team), gefrorene Wasserfälle sehen, die Kombination von Sauna und Bier schätzen und fürchten lernen und Huskyschlittenfahren zählen. Und sicherlich noch einige andere Dinge.

Zu den letzten Heimspielen der Saison beehrte uns der Headcoach der ersten Mannschaft mit seinem Besuch. Und nicht lange nachdem die Saison vorbei war wurde mir ein Vertrag angeboten, in der kommenden Saison im Team der ersten Mannschaft zu spielen. Die Entscheidung die ich nun zu treffen hatte war keine einfache. Wie lässt sich das Ganze mit dem Studium vereinbaren? Mit der Familie? Mit der Freundin? Mit Freunden? Finanziell? Doch am Ende habe ich die Entscheidung getroffen, die für mich floorballperspektivisch am meisten Sinn macht: Ich werde eine weitere Saison im Land des mehrfachen Weltmeisters spielen und weiter in der zweithöchsten Liga über mich hinauswachsen. Nun freue ich mich jedoch erstmal darauf, den Sommer ab Ende Mai in Deutschland zu verbringen, ehe das Abenteuer Anfang Herbst von Neuem beginnt.

geschrieben von Pascal Reichert