Wer hat an der Uhr gedreht?

Prolog:

Am vergangenen Sonntag stand für die Saalebiber das Auswärtsspiel beim souveränen Tabellenführer, den Unihockey Igels Dresden, auf dem Programm. Da die Hallenser selbst auf dem zweiten Platz der Tabelle gelegen hatten, war der eine oder andere im Vorfeld geneigt, von einem Spitzenspiel zu sprechen. Die Vorzeichen vor diesem Duell hätten jedoch unterschiedlicher nicht sein
können: Die Gastgeber kamen mit überzeugenden und deutlichen Siegen, wie dem im Pokal gegen TU Dresden, im Gepäck – die Saalebiber hingegen mit einer enttäuschenden Vorstellung inklusive Pokal- Aus in München. Auch personell hätten die Gegensätze kaum größer sein können. Die Dresdner konnten mit voller Kapelle antreten. Die Biber hingegen waren froh mit zwei Reihen und
einem Goalie anreisen zu können. In der Nacht vor dem Spieltag gab es auch die Zeitumstellung. Dies schien bei einigen der Beteiligten nicht nur das Zeitgefühl durcheinandergebracht zu haben: Zunächst verzögerte sich die Bereitstellung der Umkleidekabinen. Dann mussten die Schiedsrichter unmittelbar vor Spielbeginn noch ihre Trikots wechseln, da sie anscheinend von den Farben der Teams überrascht wurden. Während der Partie schien auch die Anwesenheit von Bandenpersonal und Ballkindern zumindest zweifelhaft zu sein.

Matchplan:

Den Hallensern war klar, dass sie als klarer Außenseiter in die Partie gingen und demzufolge nur mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung eventuell die Möglichkeit bestand, etwas Zählbares mitnehmen zu können. Um es der High-Powered- Offense der Sachsen so schwer wie möglich zu machen, entschied man sich dazu, in den beiden Reihen mit verschiedenen Systemen zu agieren. Durch engagiertes Defensivverhalten erhoffte man sich zudem einige schnelle Umschaltmomente. Außerdem wollte man im eigenen Offensivspiel mit der nötigen Tiefe und Seitenverlagerungen operieren.

1. Drittel:

Die ersten Spielminuten boten das, was im Sportjournalistenjargon gerne als Abtasten bezeichnet wird. Beide Teams waren darum bemüht, erstmal keine leichten Fehler zu machen. Der Ballbesitzvorteil lag zwar bei den Igels, aber wirklich zwingend gefährlich konnten sie damit nicht umgehen. Die Saalebiber setzten zwar hin und wieder kleine Nadelstiche, aber agierten insgesamt
meist zu ungenau. Nach zwölf Minuten gab es dann die erste Überzahl für Dresden, doch auch diese konnten die Biber wegverteidigen und dabei selbst einige Konter fahren. Die Defense stand sehr sicher und alles, was doch den Weg Richtung Gehäuse der Biber fand, entschärfte Goalie Nico Westphal. Somit ging es mit einem torlosen Unentschieden in die erste Drittelpause. Die Gastgeber wirkten von der konzentrierten Abwehrleistung der Hallenser beeindruckt, oft wird ihnen das Tore
schießen offensichtlich nicht so schwergemacht.

2. Drittel:

Das Trainergespann Lachnit/ Gipser zeigte sich grundsätzlich mit dem Spiel gegen den Ball zufrieden. Es wurde aber nochmal eindringlich auf die Absichten des Gegners hingewiesen und zur Konzentration sowie Aktivität gemahnt. Offensiv wollten sie dafür tiefere Pässe über die Außenbahn und schnellere Seitenverlagerungen sehen. Der Start in den zweiten Abschnitt gelang dann mit
leichten Vorteilen für die Gäste. Leider konnten weder Daniel Baumgärtner noch Steve Seidlitz klare Chancen alleine vor dem Tor erfolgreich abschließen. Die optische Überlegenheit gehörte weiterhin Dresden, während sich die Partie grundsätzlich, wie leider mancher Pass in den halleschen Reihen auch, auf Augenhöhe abspielte. Nach vierzehn Minuten kombinierten die Hausherren dann doch einmal zu schnell für das Biber- Bollwerk und gingen in Führung. Kurz darauf ergab sich jedoch in Überzahl die Gelegenheit auf den unmittelbaren Ausgleich. Leider agierten die Saalebiber nicht zielführend genug und der personelle Vorteil blieb ungenutzt. Die der Zeitstrafe für Stoßen vorausgegangene Situation sollte jedoch ihren Teil zur (Vor-) Entscheidung des Spieles beitragen. Corvin Schumann verletzte sich am Handgelenk und konnte in der Folge nicht weiterspielen. Zunächst aber ging es mit dem knappen 0:1 Rückstand in die zweite Drittelpause.

3. Drittel:

Für den letzten Spielabschnitt war klar, dass es mit nur neun Feldspielern weitergehen muss. Somit ergaben sich Änderungen hinsichtlich Wechselrhythmus und den personellen Konstellationen. Diese Umstellungen sorgten leider in den ersten drei Minuten des letzten Drittels für ein wenig Unruhe und Abstimmungsprobleme. Diese konnte Dresden allerdings für ganze vier Treffer nutzen. Die zwischenzeitlich genommene Auszeit sorgte zumindest dafür, dass man im Anschluss wieder strukturierter agierte. Geschlagen gab man sich noch nicht, aber so wie es bis zu diesem Zeitpunkt in der Offensive gelaufen war, stellte der Zwischenstand von 0:5 eine fast unüberwindbar wirkende Hürde dar. Eine weitere Unterzahlsituation konnte dann auch unbeschadet überstanden werden. Anschließend wurde im Spiel nach vorne nochmal Vieles versucht, blieb aber ohne Ertrag. Einen weiteren Treffer sollte es also nicht mehr geben.

Shame of the Game:

Ein Spiel im Floorballsport ohne eigenes Tor zu beenden, ist schon eine Seltenheit, gerade wenn sich Teams auf einem ähnlichen Niveau gegenüberstehen. Nun hat es die Saalebiber also (mal wieder) erwischt. Zuletzt war dies übrigens vor fast genau vier Jahren der Fall. Damals war der Gegner (im Pokal) jedoch Erstligist ETV Piranhhas Hamburg. Möglichkeiten boten sich den Hallenser zwar schon, aber entweder waren die Abschlüsse zu unplatziert oder man scheiterte an Gegenspielern, Goalie und Pfosten sowie an sich selbst bzw. den eigenen Nerven. Nachdem die Offensivbemühungen auch schon zuletzt vor einer Woche in München zum Problem mutierten, bleibt nur zu hoffen, dass die Flaute hiermit ihren traurigen Höhepunkt erreicht hat und es von nun an wieder deutlich
vorwärtsgeht.

Biber des Spiels:

Man könnte fast schon meinen, er hätte ein Abo auf diesen Titel gebucht. Aber auch nach dieser Partie gratulieren wir unserem Goalie Nico Westphal mal wieder zu einer ganz starken Leistung. Diesmal war er in Verbindung mit einer bockstarken Abwehr der Garant dafür, dass bis zum Blackout Anfang des dritten Drittels das Spiel auch zu Gunsten der Biber hätte ausgehen können. Es wirkt immer etwas einfach und wenig schmeichelhaft für die Leistung der gesamten Mannschaft, wenn der Torhüter als Man of the Match auserwählt wird, aber warum kann und soll der Goalie nicht derjenige sein, welcher sich, auch regelmäßig, aus dem Team hervorhebt. Zumal sich ohne eigenen Treffer auch keiner seiner Feldspieler- Kollegen zwingend in den Vordergrund gespielt hat. Unser Nico des Spiels analysierte die Niederlage anschließend so:

„Ich denke, dass wir vor allem durch unsere starke Defensivarbeit das Spiel so lange offenhalten konnten. Es ist natürlich schade, dass wir durch die Umstellung im letzten Drittel eine Zeit lang unsortiert waren und so das Spiel aus der Hand gegeben haben. Wenn wir
weiter an unserem Offensivspiel arbeiten, werden wir in Zukunft die Spiele auch wieder selbst mehr gestalten können.“

Resümee:

Die Niederlage ist sicherlich zu verschmerzen. In Anbetracht der Vorzeichen hat man sich hervorragend geschlagen und mit etwas mehr (Match-) Glück wäre vielleicht sogar mehr drin gewesen. Die Saalebiber haben ihren Teil dazu beigetragen, dass man im Nachhinein durchaus von einem Spitzenspiel sprechen kann, auch wenn das Ergebnis dies nicht unbedingt vermuten lässt. Die
Atmosphäre vor Ort ließ die ganze Angelegenheit eher wie ein Geisterspiel wirken und das, trotz der Anwesenheit nicht gerade weniger Zuschauer. Eventuell gehörte dies aber auch auf Grund von Halloween zum Programm.
Co-Trainer Marco Gipser ordnete die gezeigte Leistung folgendermaßen ein:

„Unser Matchplan mit zwei verschiedenen Systemen zu agieren, ging bis zum Start des letzten Drittels voll auf. In den ersten vierzig Minuten war die Partie völlig offen und jedes Team hätte mit einer guten Phase das Match für sich entscheiden können. Leider waren wir es, die durch die verletzungsbedingte Umstellung wenige Minuten unkonzentriert gewesen sind. Wir haben insgesamt ein gutes Spiel gemacht und das Endergebnis spiegelt nicht ganz die Kräfteverhältnisse wider.“

Kapitän Fabian Baierl fand zum einen lobende Worte und legte zugleich den Finger in die Wunde:

„Man muss ganz nüchtern sagen, dass Dresden einfach die bessere Mannschaft war und viele Chancen herausgespielt hat. In Anbetracht der personellen Umstände, welche durch die Verletzung von Corvin nochmal schlechter geworden sind, haben wir besonders defensiv ein
sehr gutes Spiel gemacht. Die zwei Minuten am Anfang des letzten Drittels mal ausgenommen, haben wir in achtundfünfzig Spielminuten ein Gegentor bekommen. Dies ist gegen einen Gegner, der bisher im Schnitt fünfzehn und mehr Tore produziert hat, ein
Statement unserer Verteidigung. Größter Ansatzpunkt ist unsere eigene Offensive. Dass am Ende die Null steht, haben wir uns selbst zuzuschreiben.“


Auch Trainer David Lachnit war grundsätzlich zufrieden mit der Leistung des Teams und haderte ein
wenig mit dem Resultat:

„Wir konnten unseren Matchplan ganz gut umsetzen und haben es zwei Drittel lang geschafft den Sturmlauf der Igels soweit zu stoppen, dass diesen nur ein Tor gelang. Dies ist soweit noch keinem anderen Team gelungen. Leider konnten wir selbst kein Tor erzielen, um das Spiel zu kippen und eventuell in unsere Richtung zu lenken. So folgten leider einhundertzwanzig furchtbare Sekunden und eine schwerwiegende Verletzung, die dann jegliche Hoffnung auf Punkte zerstörte. Ein knapperes Ergebnis und mindestens ein bis zwei
eigene Tore hätte die Mannschaft für ihre aufopferungsvolle Leistung verdient gehabt.“


Wenige Stunden nach Spielende rückte das Ergebnis in den Hintergrund als klar war, dass Corvin Schumann sich einen Bruch am Handgelenk zugezogen hat. Für ihn bedeutet dies erst einmal vier Wochen Gips und mindestens acht Wochen Pause. Er selbst kommentierte die Situation so:

„Wir hatten leider kurz nach meiner Verletzung eine kleine Umorientierungsphase und diese hat Dresden natürlich eiskalt ausgenutzt. Dass ich mir das Handgelenk gebrochen habe, ist natürlich ärgerlich, aber jetzt heißt es den Kopf nicht hängen lassen, sich gut erholen und dann im neuen Jahr hoffentlich wieder voll durchstarten können.“


Wir wünschen Corvin auch an dieser Stelle nochmal gute Genesung!!!

Wer keinen eigenen Treffer erzielt kann kein Spiel gewinnen. Von daher war die Niederlage verdient. Dass die Saalebiber gut verteidigen können und über einen sehr gut aufgelegten Goalie verfügen, ist leider nur die halbe Miete, um erfolgreich zu sein. Wieder bleibt nur eine Trainingswoche Zeit, um an der offensichtlich doch größeren Baustelle Offensivspiel zu arbeiten. Dann ist der PSV Dessau zu Gast im heimischen Biberbau.

Verfasser: T-Co CoSt